Beobachtungen zum Thema Oper :

Gefühle werden uniformiert – unsere tägliche Erfahrung beim Fernsehen (sogar Informationssendungen werden durch immer ähnliche Hintergrundsmusik mit solchen normierten Empfindungen vereinheitlicht), in der Werbung, im Unterhaltungssektor und so leider auch tendenziell in der Oper – Differenzierung weitgehend egalisierend..

Musikalische Empfindungen sind im Gegensatz zu Sprachlichem nicht konkretisierbar. Ton und Text (Musik und Erzählung) bleiben ihrem Eigenleben, ihrem Singularen im Detail weitgehend verhaftet. Beide Partner nur als gegenseitige Metaphern?

Text – Melodik – Struktur – Harmonik – Akkordik – Intervalle bis hin zum Einzelton sind ja nicht wirklich inszenierbar –  nicht überprüfbar konstituierend – eben nur als Konstruktion wirklich. 

Das Publikum erlebt Oper eher anders als von Regisseuren im Detail in Szene gesetzt: schöne Stimmen und eine Bühnenschau mit abwechslungsreichem Geschehen, so die Erfahrung. Die Sänger repräsentieren in erster Linie sich selbst als möglichst konsistent, glänzend – die gespielte Figur tritt bei aller differenzierten Regie in den Hintergrund. Kein unmittelbares Texterleben – nur über den Übertext als Vehikel isoliert von der Musik (räumlich wie auch wahrnehmungspsychologisch).


In Kritik vor allem an der zeitgenössischen Oper ist ein Musiktheater für Solisten, Chor, Orchester und elektronische Klänge entstanden (2015..2023) mit Text aus dem Orpheus von Ovid:


wörtlich – wortwörtlich :

Die Erzählung wird gesprochen.

Die Sänger bewegen sich meist nicht aufmerksamkeitsergreifend vorne an der Rampe. In zurückhaltenden Momenten gerade dadurch suggestiv wirkend, bisweilen etwas erratisch.

Der Chor: sich chaotisch bewegend,  oder grob markant, ruckartig, lauthals das Publikum gestikulierend gebend oder leise demütig, meditativ, suggestiv wie in Zeitlupe.

Sicher oder unsicher in der Haltung.

Alle Figuren sind mehrdeutig, nur in den jeweiligen Situationen unmittelbar gekennzeichnet, im Verlauf widersprüchlich in ihrer Funktion.

Dies ist komponiert und (noch) nicht inszeniert.


Fortgang :

Im Laufe des Stückes mit unmerklichem, verschwommenem Beginn wird die Erzählung in Bruchstücken vollständig hörbar, immer unterbrochen durch Momente der Unsicherheit, Verdeckungen des Textes, Störungen der begleitenden Empfindung in seiner Fortgangserwartung, dann wieder eindeutige temporäre Unterstützung der Erzählung – ein Spiel mit Gefühlen. 

Übergänge zu einem Abschnitt der Naturmimesis auf musikalischer Ebene, die aber sinnlich fassbar bleibt. Dies geschieht durch Rotationen und Wiederholungen oder Vereinzelungen von Worten. Hinweise auf die Herkunft von Stimme und Saitenklang. Hier keine Fortentwicklung, sondern Zeitstillstand.

Eine Spezialstimme für zeitgenössischen Gesang repräsentiert Natur mit textlosen Klängen im Kontrast zu den „herkömmlichen“ Solisten Sopran und Tenor.

Mit dem Aufkeimen der Aggressionen gegen Orpheus wandelt sich Natur zu menschlichen Empfindungen wie Hass, Bann, Wut, auch dies verstärkend durch Vereinzelungen der Begriffe und hier metrischen Wiederholungen (Demonstrationscharakter). Orpheus wird angeklagt auch wegen seiner durch seinen Gesang erwirkten Entfremdung der Natur, die sich dann überbordend rückentwickelt zu ihrem ursprünglichen Wesen.

Nach seinem Tod verselbständigt sich dann ein Trauerteil, in erdrückendes Pathos mündend.

Zwei künstliche Orchesternachhalle über Lautsprecher, vom Orchester begleitet, klingen als ein Verebben, ein Aushauchen zum Ende.